In einem Wettbewerb sind die 10 Nicht-Gebote des Atheismus (10 "non-commandments" of Atheism) gekürt worden. Hier mal meine Übersetzung:
1. Sei aufgeschlossen und stets bereit, deine Überzeugungen angesichts neuer Beweise zu ändern.
2. Bemühe dich um ein Wissen der Dinge, welche höchstwahrscheinlich wahr sind, aber nicht jener Dinge, die nur du wahrhaben willst.
3. Die wissenschaftliche Methode ist der zuverlässigste Weg zum Verständnis der natürlichen Welt.
4. Jeder Mensch hat das Recht, über seinen eigenen Körper zu bestimmen.
5. Es steht nicht zwangsläufig fest, dass Gott ein gutes Wesen ist oder ein erfülltes und bedeutungsvolles Leben hat.
6. Bedenke die Folgen deines Handelns und erkenne die Pflicht an, Verantwortung dafür zu übernehmen.
7. Behandele andere stets so, wie du selbst von ihnen behandelt werden willst und wie sie behandelt werden wollen, soweit du dies angemessen einschätzen kannst. Versetz dich in ihre Lage.
8. Wir haben die Pflicht, andere in unsere Überlegungen einzubeziehen - auch zukünftige Generationen.
9. Es gibt nicht nur eine richtige Art und Weise, sein Leben zu gestalten.
10. Verlasse die Welt in einem besseren Zustand als du sie vorgefunden hast.
Dem gibt es nichts hinzuzufügen.
Selten liest man einen
so ausgewogenen und fundierten populärwissenschaftlichen Artikel zu angeblich typischen Verhaltensweisen von Schwulen und Lesben, all den Klischees und der schlicht und einfach kaum geklärten Ursache von Homosexualität. Sehr schön, dass ich das durch Zufall bei einer Google-Suche gefunden habe. (Ich gebe zu: ich suchte aus selbstsüchtigen Interesse, ob mein "gaydar" Artikel bei Google in den
Suchergebnissen erscheint. Und ja, das tut er - sogar knapp über dem gefundenen Artikel...)
Als offener homosexueller, noch viel mehr als ungeouteter homosexueller oder auch als interessieter heterosexueller Mensch wird man sich immer wieder fragen: Warum Homosexualität? Woher kommt diese Form der sexuellen Orientierung? Wahrscheinlich kann man sich zu diesem Thema mit Literatur, Texten und Meinungen eindecken, die für ein ganzes Leben ausreichen würden. Dabei wird einem schnell auffallen, dass es verschiedene Theorien gibt, die sich wohl grob in vier Ansätze einteilen lassen:
- der genetische Ansatz: Homosexualität ist genetisch bedingt.
- der hormonelle Ansatz: Homosexualität ist durch Hormonausschüttungen in der Gebärmutter bedingt.
- der entwicklungspsychologische Ansatz: Homosexualität ist durch Umwelteinflüße und Erziehung bedingt.
- der Willensansatz: Homosexualität ist eine bewusste Entscheidung.
Umso mehr man liest, umso schneller wird einem klar, dass die Wahrheit nicht ganz so einfach ist: Kein ernsthafter Wissenschaftler würde einem der Ansätze das Vorrecht einräumen, sondern betrachtet sie vielmehr als Aspekte eines vielschichtigen und komplexen Phänomens. Sobald allein auf nur einen Aspekt gepocht wird, ist man bereits im Gefilde der Ideologie. Was heißt das? Dass gar kein ernsthaftes Interesse besteht, zu erklären, wie die sexuelle Orientierung entsteht. Vieleher werden dahingehende Erklärungen missbraucht, um politische Ziele durchzusetzen und gesellschaftliche Stimmungen zu erzeugen. Konkret kann man das derzeit in den USA nachvollziehen, wo um das Thema "gay marriage" ein regelrechter Kulturkampf entbrannt ist. Es geht schlicht und ergreifend darum, ob Homosexuelle den Bund der Ehe schließen dürfen, eine eingetragene Partnerschaft führen können oder keines von beiden möglich ist. In Deutschland ist dies bundesweit durch das Lebenspartnerschaftgesetz geregelt (Ehe: nein, eingetragene Partnerschaft: ja), in Amerika regelt das jeder Bundesstaat nach eigenem Gutdünken. Es geht dort jedenfalls heiß her und der Ansatz zur Erklärung von Homosexualität spielt eine tragende Rolle: Liegt es allein an den Genen, wie der, ich nenne es mal so, "militante Homosexualismus" behauptet - wie soll man den Homos das Recht auf die Ehe verwehren? Ist gleichgeschlechtliche Sexualität allein eine Frage der Entscheidung - das kommt aus der Ecke der religiösen Fundamentalisten - so sei das Recht auf Eheschließung nicht zu gewähren...
Mir persönlich ist das alles eine unerträgliche Begriffshuberei. Es spielt doch überhaupt keine Rolle, warum zwei Menschen eine Beziehung zueinander eingehen (ob durch Willenskraft oder genetische Determination) und diese dann vom Staat und in einem rechtlichen Rahmen anerkannt wissen wollen. Wenn es so ist, dann ist es so. Jegliche Gegenargumente sind obsolet: Das tradionalisitische Argument (Ehen waren bisher zwischen Mann und Frau und außerdem steht's so in der Bibel steht) ist eigentlich zu steinzeitlich, um es in einem vernunftsbasierten Kontext tatsächlich zu beachten. Falls die Ehe als gesellschaftliches Institut der Familie betrachtet wird, so kann man auf Adoption und Leihmutterschaft hinweisen - an der Möglichkeit des Kindes mangelt es keinesfalls. Und sei die Ehe schlussendlich ein biologisches Institut der Vermehrung, gäben sich die Homosexuellen sicher damit zufrieden, wenn sie gleichfalls dem heterosexuellen Rentnerpaar oder allen weiteren zeugungsunfähigen Partnern verwehrt bliebe. Denn die Gleichbehandlung ist bekanntlich ein Menschenrecht.
Soviel zum konkreten Beispiel der ideologischen Verwendung dieser Erklärungsansätze. Vielleicht ein paar Worte zu meiner meiner persönlichen Meinung: Ich glaube, wir sind sehr viel variabler und offener als der festgezurrte Begriff der sexuellen Identität nahelegt. Zweifeilos speist diese sich aus allen vier genannten Ansätzen. Aber es wird da sicher die wildesten Mischungsverhältnisse und Möglichkeiten geben: Den genetischen Schwulen, der glücklich mit einer Frau verheiratet ist und KInder hat. (Wer wären wir, ihm zu sagen, er kann so nicht glücklich sein?) Den Macho, der eine wilde und schöne Nacht mit seinem besten Kumpel erlebt. Oder die heterosexuelle Frau, die enttäuscht von der Männerwelt ihr Glück mit anderen Frauen versucht. Mag es alles geben und warum sollten wir hinterfragen, wieso das so ist. Wenn es sich richtig anfühlt, können einem die Gründe den Buckel runterrutschen.
Ich muss auch noch lernen, mich von diesen Ansätzen und ihren ideologischen Implikationen zu befreien. Man sollte sich als Homo nicht unter Rechtfertigungszwang setzen. Und eine aufgeklärte Gesellschaft sollte dies ebensowenig tun. So entstehen nur unangebrachte Zweifel wie: Vielleicht kann ich mich noch umentscheiden? (Aber warum sollte ich das tun, wenn es sich jetzt gerade in diesem Moment richtig anfühlt, diesem Typen in der Straßenbahn auf den Arsch zu glotzen.) Oder Schuldzuweisungen wie: Hätten mir die Eltern bloß mehr Jungsspielsachen gekauft! Also entweder liegt es an mir oder der Gesellschaft, aber ich habe nicht das Gefühl, dass wir einen Stand der Aufklärung erreicht haben, der es uns erlaubt, ohne Hintergedanken und Umpolungsfantasien über diese Ansätze zu sprechen...
Fazit: Als Individuum steht es uns frei, das zu machen, was uns beliebt - aus welchen Gründen auch immer. Der
schwule Sexualwissenschaftler Martin Dannecker zur Frage, worin die Gefahr der (hier von mir gerade praktizierten) ewigen Reflexion der seuxellen Differenz liegt: "Dass man sich seine Identität immer erklären muss, bis hin zu der großen Frage, die sich viele immer noch stellen: warum sie denn homosexuell geworden sind. Meistens wird dann dazu die Theorie bemüht. Aber ich bin der Meinung, dass man zu dieser Frage sowieso nichts sagen kann, die Frage müssen sich auch andere nicht stellen."