Bekenntnisse eines ungeouteten Schwulen
Mittwoch, 10. Oktober 2012
Zu kämpfen...
...darauf habe ich am wenigsten Lust. Sich ständig zu rechtfertigen vor der Gesellschaft, vor Leuten, vor sonstwem und -was. Zu einer Minderheit zu gehören, die wahlweise doch bereits integriert sei, sich zu laut geben würde oder nichts zu melden habe. Überhaupt: Ich hasse es, zu Gruppen zu gehören. Eingemeindet zu werden für mir fremde Zwecke. Auf einer Seite zu kämpfen in einem Kampf, von dem ich nicht weiß, ob er bereits gewonnen, verloren oder noch im Gange ist. Ich will doch einfach nur meine Ruhe. Kann man auch unpolitisch schwul sein? Oder ist man qua Homosexualität schon immer verstrickt im Kampf um Gleichberechtigung und Akzeptanz. Leider ist das wohl so. Das fängt doch schon bei den Worten an... erst vor kurzem ist mir aufgefallen, dass "Homo" und "schwul" bei mir auf Arbeit eine Art Schimpfwort ist. Und nicht nur dort, es durchzieht ja eigentlich den kompletten gesellschaftlichen Sprachraum. Und hier beginnt bereits der Kampf. Ich will ihn nicht. Aber auf dieser Seite hier, wo ich derzeit friedlich lebe, ist es recht einsam...

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Donnerstag, 17. Mai 2012
Coming-Out II
Sich zum Männertag outen - ha, das wäre eine Idee. "Leute, heute ist Männertag und ich finde das ziemlich toll, denn ich stehe auf Männer." Überhaupt fände ich es schöner, zu sagen, dass man auf Männer steht. Damit ginge man erst einmal diesen vorbelasteten Begriffen "schwul" und "homosexuell" aus dem Weg. Ich bin dies zwar zweifellos, aber man muss die Leute ja nicht erschrecken. Bei diesen zwei Bergiffen explodiert vor dem inneren Auge der armen Beouteten doch gleich ein Panoptikum an Vorurteilen: Arschbumsen, CSD, Tucken, gebrochene Hände usw. usf. Auf Männer zu stehen, das hingegen wäre konkret, simpel und relativ assoziationsberfreit.

Ich krieg das heute aber eh nicht hin. ..

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Freitag, 11. Mai 2012
Coming-Out I
Dem Blogtitel nach hatte ich meines ja noch nicht. Und sowieso - es ist ja nicht nur eins: Es sind mehrere, verschiedenen Menschen und Menschengruppen gegenüber. Der besten Kumpel, der engere Freundeskreis, die Familie etc. Und es gibt keinen richtigen Moment dafür. Das ist sowieso das allerschlimmste. Man muss die Situation selbst herbeiführen - so wie bei einem Bankett, bei dem derjenige, der etwas zu sagen hat, mit dem Löffel gegen das Sektglas stößt. Also das nur als symbolische Analogie - wortwörtlich habe ich das natürlich nicht vor. Jedenfalls macht es mir dieses Initiationsritual in die Homosexualität verdammt schwer und ich werde sicher noch einige Wochen oder Monate brauchen, bis ich das wirklich hingekriegt habe. Ich war schon einige Male davor, etwas in der Art zu sagen wie: "So Leute, hört mal zu, ich muss euch jetzt mal was sagen..." Aber kurz davor war mir plötzlich so schlecht und mein Herz pochte so hart, dass ich einen Angtsrückzieher machte. Dann denkt man wieder nach: Mit welcher Ernsthaftigkeit und Ausschweifigkeit soll man das Coming-Out vorbereiten - oder sollte man es überhaupt sektglas-analogie-mäßig vorbreiten? Vielleicht sagt man ja auch einfach nur in den Raum: Ach ja, ich bin schwul. Aber das kommt irgendwie auch komisch. Besonders wenn man 28 ist...

Ja, ich weiß. All diese Gedanken, all diese Abwägungen - ich mache mich damit ja auch zum Spielball einer heteronormativen Welt, mache meine Homosexualität davon abhängig, ob meine Freunde und Familie davon wissen. Ist das überhaupt notwendig? Klar wäre es schön, einfach mal einen Mann kennenzulernen, diesen dann seinen Freunden vorzustellen und sich in diesem Moment quasi durch Fakten ("Das ist mein Freund!") ganz unverkrampft zu outen. Aber so einfach geht das eben nicht. Zum einen lässt das meine Persönlichkeit nicht zu - ja, ich würde mich in gewisser Weise schuldig fühlen, wenn ich bereits daten würde, ohne vorher mein Coming-Out gemacht zu haben. Das hätte was Geheimniskrämerisches. Klar ist dieses Gefühl problematisch - vielleicht ist das ein eher pathologischer Zug von mir ist. Zum anderen kann dieses Gefühl seine Gründe auch in einem gesellschaftlichen Zwang haben. Dieser Zwang muss nicht unbedingt ideologisch sein. Befreien wir den Begriff Heteronormativität einmal von seinen ideologischen Implikationen, so sagt er nicht mehr und nicht weniger aus, als das Heterosexualität nun einmal die Norm ist - was statistisch zweifellos der Fall ist. Und da man einem Schwulen jenseits der Klischeevorstellungen von der "Tucke" seine Homosexualität nun einmal nicht an der Nase ablesen kann, folgt zwangsläufig, dass man einen Menschen erst einmal stets für hetero hält. Und das eben nicht unbedingt aus böser Absicht oder Homophobie - sondern wegen statistischer Unwahrscheinlichkeit, dass es sich beim Gegenüber um einen Schwulen handelt (nur jeder 10. bis 20. Mann ist ein solcher). Kann man daraus ableiten, dass der Homo in einer Bringeschuld gegenüber der Gesellschaft ist, sich eben als Homo erkennen zu geben? Schwierig. Ich persönlich sehe aber derzeit keine andere Möglichkeit, um mich bei all den so aufkommenden Gesprächsthemen (Freundin, Attraktivität von Frauen) nicht als Lügner oder passiver Aussparer (also Halblügner) zu betätigen. Damit wären wir wieder beim Anfang - das sind sie doch, die Anlässe zum Coming-Out: Fragen wie "Wie sieht's denn mit 'ner Freundin aus?" bieten sich idealerweise an. Doch wie bereits erwähnt: So einfach ist es eben nicht. Und letztendlich geht es beim Coming-Out dann doch weniger um die Inkenntnissetzung der Umwelt, als vielmehr darum, dass man einen Teil von sich soweit akzeptiert hat, dass man ihn nicht zu verstecken braucht, sondern ihn offenherzig und locker anderen mitteilen kann. Und darin ist es wohl, wo mein Drang zum Coming-Out und gleichzeitiges Zögern eigentlich begründet liegt...

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Mittwoch, 25. April 2012
Der Anfang
Ich bin 28 Jahre alt und hatte noch nie eine Freundin, einen echten Kuss oder eine intime Erfahrung mit einem anderen Menschen. Der Grund dafür wird wohl meine Homosexualität sein, mit der ich mich erst seit Neustem konfrontiert sehe. Natürlich ist dieser Umstand nicht plötzlich vom Himmel gefallen. Auch wenn einige Konservative meinen, Schwul-Sein wäre eine mal eben getroffene bewusste Entscheidung, um sie auf die Palme zu bringen und ein sündenreiches Leben als Dragqueen o.ä. zu führen. Aber die haben halt noch nicht gemerkt, dass sich nicht immer alles um sie dreht.

Dass man auf Männer steht, kann man entweder bemerken oder will man nicht bemerken. Bewusstwerdung ist eben kein Wissen, welches plötzlich da ist, sondern ein ziemlich komplexer Prozess, der auch über Jahre, gar Jahrzehnte andauern kann. Mh... ja, ich habe mich tatsächlich mein ganzes bisheriges Leben nicht wirklich für Frauen interessiert - jedenfalls nicht jenseits eines heteronormativen Konzeptes von Männlichkeit, das ich für mich unkritisch annahm. Wie also entdeckt man erst Ende Zwanzig seine sexuelle Identität? Ich habe mich ziemlich lange nicht selbst geliebt, ich empfand mich als hässlich und sexuell uninteressant für andere - die Möglichkeit einer romantischen und damit auch körperlichen Beziehung mit einem Menschen war bisher nicht Teil meines Lebenskonzeptes. Da ich also eh keine Pläne hatte, mit irgendjemandem intim zu werden, war die Frage nach der Sexualität eben auch keine drängende für mich. Die homosexuellen Fantasien und der Konsum entsprechenden Materials ließen sich da auch wunderbar als eine Art Wunschvorstellung von einem männlichen Aussehen erklären, welche als Kompensation für mein schlechtes Selbstbild diente. (Die aus dem christlich-orthodoxen Dunstkreis kommenden "reparativen Therapien" zur Heilung von Homosexualität nehmen eine angeblich gestörte Männlichkeit zur Grundlage ihres Wahnsinns.)

Ich ging also über Jahre davon aus, wenn ich mich erst einmal selbst lieben lernen würde, dann würde ich nicht mehr diese Bilder von anderen Männer anziehend finden. "Wird sich schon einrenken!" Natürlich kann man mich jetzt fragen: Aber Homosexualität ist doch gar nicht problematisch und du als tolerantes Kerlchen solltest doch als erstes auf solche lächerlichen Verdrängungsstrategien verzichten können...? Ich habe das wohl weniger aus internalisierter Homophobie - wie es so schön heißt - gemacht, als vielmehr aus purer Faulheit. Denn schwul zu sein, ist ja nun immer noch nicht ein Zuckerschlecken in dieser Gesellschaft. Das zieht einen Rattenschwanz an ziemlich komplexen Tätigkeiten nach sich, welche sich dem Heterosexuellen eher einfacher oder gar nicht stellen: Das fängt beim Outing an, geht über die Partnersuche weiter, dann gibt es sicher immer wieder Anfeindungen, die man ja nun auch als engagiertes Mitglied einer Minderheit argumentativ außer Kraft setzen sollte usw. usf. Boah, ich finde das schlimm und anstrengend und will das eigentlich alles gar nicht. Aber es führt nunmehr kein Weg daran vorbei. Ich musste leider einsehen, dass all die schönen Theorien vom Vielleicht-Hetero-Werden meinem neuentdeckten Selbstverständnis nicht standhielten. Nun stehe ich also da: Ein ungeouteter Schwuler, eine Jungfrau, ein absoluter Beginner. Vielleicht hilft mir ja das Schreiben zu einem neuen Tun. Denn es gibt viel zu tun und ich weiß nicht ansatzweise, wo ich anfangen soll...

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Letzte Aktualisierung: 13. Juli, 02:03
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